Die Zukunfts-Nummer
Ein einheitliches zentrales Unternehmensverzeichnis soll die Digitalisierung der Unfallversicherung entscheidend voranbringen. Die BGHW und die SIGUV Web Community haben beispielhaft gezeigt, wie das ehrgeizige Ziel erreicht werden kann.
Der Spitzenverband der gesetzlichen Unfallversicherung – die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) – arbeitet derzeit daran, die bisher sehr unterschiedlich strukturierten Mitgliedsnummern der Betriebe und öffentlichen Einrichtungen zu vereinheitlichen. Das ist nach übereinstimmender Auffassung von Fachleuten eine wichtige Voraussetzung dafür, die Verwaltungsprozesse bei den Unfallversicherungsträgern (UV-Trägern) in den kommenden Jahren weiter digitalisieren zu können. Zudem bietet das neue Nummernsystem Experten zufolge den UV-Trägern vielfältige Möglichkeiten für zielgerichtete Online-Angebote.
DGUV-Hauptgeschäftsführer Stefan Hussy ist davon überzeugt, „dass ein neues Ordnungskennzeichen die Digitalisierung der gesetzlichen Unfallversicherung voranbringen wird“. Als wichtigste Grundlage dafür bezeichnet Hussy das Zentrale Unternehmensverzeichnis (ZUV). Für die gewerblichen UV-Träger – also die Berufsgenossenschaften – heißt dies, dass die gespeicherten Katasterinformationen erweitert und konsolidiert werden müssen. Diese Aufgabe hat je nach UV-Träger ganz unterschiedliche Dimensionen. Sie hängen mit der jeweiligen Unternehmensgröße, der wirtschaftlichen Struktur und der Branchenzugehörigkeit zusammen.
Beispiel BGHW
Die Berufsgenossenschaft Handel und Warenlogistik (BGHW) betreut eine große Zahl von Mitgliedsunternehmen. Neben einigen großen Betrieben und Konzernen ist sie vor allem von Kleinbetrieben, Familienunternehmen und mittelständischen Unternehmen geprägt. Zudem tragen die in der BGHW versammelten Branchen besondere Lasten durch die aktuelle Corona-Pandemie. Während etwa der Lebensmitteleinzelhandel und der Handel mit Dingen des täglichen Bedarfs mit außerordentlichem Personaleinsatz auf allen unternehmerischen Ebenen die Versorgung der Bevölkerung sicherstellte, musste ein weitaus größerer Teil der Branche mit ganz enormen wirtschaftlichen Belastungen während der Lockdowns kämpfen – unter anderem durch Betriebsschließungen.
Die Verantwortlichen der Abteilung Mitgliedschaft und Beitrag (MuB) der BGHW suchten angesichts dieser Situation nach Möglichkeiten, wie sie die erforderliche Informationsgewinnung für das ZUV sowohl auf Kundenseite als auch auf Seite der BGHW so effektiv und ressourcenschonend wie möglich gestalten können. Für den verantwortlichen MuB-Referenten IT/Kommunikation bei der BGHW, Andreas Wolter, stand deshalb von vornherein fest, dass er einer digitalen Lösung den Vorzug geben würde. Diese betrachtet er im Übrigen selbst als Vorgriff auf eine vollständig digitalisierte dynamische Betriebsbeschreibung, damit sich Unternehmen künftig selbständig bei der BGHW anmelden können und die Kundenstammdaten laufend gepflegt werden können.
Vorteil SIGUV
Die SIGUV Web-Community – sie entwickelt Online-Informationsdienste und Web-Applikationen für die gesetzliche Unfallversicherung – verfügt einerseits über eine geeignete technische Plattform für die Entwicklung und den Betrieb von digitalen Onlineangeboten. Zudem setzt sie auf eine hohe Eigenleistungstiefe und interne Prozesskenntnisse für die Realisierung solcher Projekte. Wie sich bei der BGHW zeigte, passt das von der SIGUV Web-Community favorisierte agile Vorgehensmodell sehr gut zu einem sich noch während der Realisierungsphase immer wieder verändernden Anforderungsprofil. Und dies wiederum war den ehrgeizigen Zielen geschuldet, die sich alle Projektbeteiligten gesetzt haben.
Die Erfahrungen zeigen, dass sich die Fragestellungen gegenüber dem Kunden teilweise dynamisch aus dem Kontext seiner Antworten ergeben. Vor allem jedoch müssen sie zwingend zu plausiblen Antworten und somit wiederum zu Daten führen, die möglichst problemlos und medienbruchfrei in die eigene Fachanwendung und damit in das ZUV überführt werden können. Besonders plastisch wird diese Aufgabe bei der Ermittlung der Adressinformationen. Sie führt je nach Benutzereingabe zum Angebot von Auswahlmöglichkeiten im Hinblick auf PLZ, Ort und Straße und duldet praktisch keine Fehlertoleranz bei der Eingabe und späteren Übergabe nach Cusa MuB.
Bei der Entwicklung des BGHW-Modells für das ZUV mussten viele Detailfragen geklärt und diverse Schwierigkeiten und Fallstricke überwunden werden. Dabei erwarben sich alle Projektbeteiligten Verdienste und erreichten einen ersten Meilenstein. Viel wichtiger ist jedoch, dass Fachabteilung und IT zum einen voneinander und zum anderen gemeinsam vom User-Verhalten lernen konnten und so von den Erkenntnissen in künftigen Projekten profitieren werden.
Erste Erfahrungen positiv
Die nun vorliegenden Ergebnisse aus einer ersten Aktion mit ca. 11.000 Unternehmerinnen und Unternehmern der Rechtsformklasse 1 – das sind Einzelunternehmen und eingetragene Kaufleute – geben der Digitalisierungsstrategie der BGHW-Verantwortlichen recht: Die Mehrzahl der Rückläufer ging auf digitalem Wege bei der Berufsgenossenschaft ein. Mehr noch: Andreas Wolter ist davon überzeugt, dass in einem durch die Pandemie besonders gebeutelten wirtschaftlichen Umfeld unkomplizierte Angebote in attraktiven Online-Diensten einen wichtigen Beitrag dazu leisten können, die notwendige Konsolidierung des ZUV erfolgreich abzuschließen. In diesem Sinne forciert er die schnelle Umsetzung der benötigten Online-Dienste für alle Rechtsformklassen und bezeichnet das Entwicklungsprojekt der dynamischen Betriebsbeschreibung als nächstes großes Ziel.
Ausblick
Im kommenden Jahr wird die SIGUV Web-Community unter dem Projektnamen uvc.MuB die technische Plattform für die Entwicklung von Online-Diensten für Mitgliedsbetriebe und Einrichtungen modernisieren. Mit diesem Entwicklungsschritt will sie allen bei den UV-Trägern versicherten Unternehmen und öffentlichen Einrichtungen die Integration der Services in die eigene Anwendungslandschaft erleichtern. Zudem habe die Community sich vorgenommen, sowohl regelbasierte Systeme als auch Modelle zur Erkennung und Interpretation der natürlichen Sprache auf Basis künstlicher Intelligenz in die Softwarearchitektur zu integrieren, sagt Lars Walther von der Fa. novareto GmbH. Sie betreut als externer Projektleiter die SIGUV Web Community.
Lars Walther / Andreas Wolter
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